Betritt man das Haus von Bernhard Hennen, fallen einem als Erstes Bücher ins Auge. Bücher in der Sofaecke, Bücher am Fenster, Bücher unter der Treppe, die nach oben führt. Doch im Gegensatz zum Lesestoff in anderen deutschen Wohnzimmern sind bei Hennen längst nicht alle Exemplare im Buchhandel gekauft worden: Ein ganzes Regal ist gefüllt mit den Phantastik-Romanen aus der eignen Feder. Bernhard Hennen aus Uerdingen ist ein international erfolgreicher Fantasy-Autor.
Seine Bücher handeln von Elfen, Trollen und magischen Welten. Mehr als 40 Titel hat er bisher veröffentlicht, sie wurden bislang in zehn Sprachen übersetzt. Bereits mehrfach wurde er mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Phantastik Preis 2018 oder dem Seraph, dem Literaturpreis für deutschsprachige Phantastik. Hennens Arbeitstag beginnt gegen 10 Uhr. „Schriftsteller zu sein, hat auch viel mit Büroarbeit zu tun“, erzählt der 54-Jährige. Er spricht ruhig, aber aufmerksam, mit spürbarer Freude am Thema. Vormittags arbeitet er zuerst für ein bis zwei Stunden seine E-Mails ab. „Und dann geht es ans Kreative. Entweder, ich schreibe oder ich mache irgendetwas, das thematisch darum herum geht. Etwa eine Veranstaltung vorbereiten oder eine Lesung durchführen.“ Hennen liest in Buchhandlungen, auf Messen oder Fantasy-Conventions. „Am liebsten arbeite ich aber abends an meinen Büchern. Ich bin eine Nachteule, und die ruhigen Stunden sind bei mir die effektivsten“, gibt er zu.
Um einen Roman zu schreiben, braucht der Autor mit dem markanten Lockenkopf und der randlosen Brille etwa sechs bis zwölf Monate – je nach Dicke des Buches, nach Komplexität der Handlung und ob es in einer bereits bekannten Welt spielt oder in einer ganz neuen. Dazu kommen mehrere Monate Vorbereitungszeit. Zuerst plant Hennen ein grobes Konzept für den Inhalt. In welcher Epoche soll die Geschichte spielen, gibt es Magie oder nicht, welche Konflikte müssen ausgetragen werden? Dann legt er seine Figuren fest. Schlussendlich setzt er sich in seinen gemütlichen, fellgepolsterten Drehsessel an seinen Schreibplatz. Ganz bodenständig, am Laptop unter der Treppe, formuliert er das Buch Kapitel für Kapitel aus. Romane zu schreiben, ist Hennens Arbeit – und gleichzeitig auch sein größtes Privatinteresse. Zwischen Beruf und Freizeit unterscheidet er nicht mehr. Seine erdachten Schlachten spielt er zuhause gern mit seiner Zinnfigurensammlung nach.
Bevor Bernhard Hennen seinen Lebensunterhalt als Autor bestreiten konnte, arbeitete er zeitgleich als Rundfunkjournalist. Zudem schrieb er Rollenspielabenteuer für „Das Schwarze Auge“ und verdingte sich auf Mittelaltermärkten als Schau-Schwertkämpfer. Noch heute stehen die Schwerter dafür in greifbarer Nähe neben seiner Couch. Bei der Veröffentlichung seines ersten Romans bekam er Schützenhilfe vom bekannten Phantastik-Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein, der ihm den Weg in den Lübbe-Verlag ebnete. „Da hatte ich einfach ein Riesenglück“, schaut Hennen zurück und bleibt dabei bescheiden. „Überhaupt sein Manuskript bei einem Verlag vorstellen zu können, ist für die allermeisten unbekannten Autoren schon eine Riesenhürde. Wolfgang Hohlbein hat mir das ermöglicht und mich dann bei meiner Schriftstellerkarriere massiv unterstützt.“
Die Elfen-Bücher brachten Bernhard Hennen Erfolg
Für neue inhaltliche Ideen seiner Bücher lässt sich der Familienvater ganz vielfältig inspirieren. Mal redet er mit Kindern, mal nimmt er historische Begebenheiten zum Anlass, mal baut er aktuelle Bezüge ein. „Bei den Chro- niken von Azuhr beispielsweise geht es um Fake News. Viele bringen das allerdings oft erst während meiner Lesungen miteinander in Verbindung.“ In Deutschland ist Hennen heute fest etabliert. Seine Bücher erreichen mitunter sechsstellige Auflagen. Trotzdem ist der Mensch Bernhard Hennen auf dem Boden geblieben. Er geht viel am Rhein spazieren und schaut sich nachts gern das Leuchten des Stahlabstichs aus dem nahegelegenen Hüttenwerk an. Als nächstes möchte er international vorstoßen. Durch den amerikanischen Verlag Amazon Crossing werden einige seiner Werke bereits als E-Book in den USA gelistet. Ein weiteres aktuelles Projekt ist eine Zusammenarbeit mit einer südkoreanischen Autorin. Trotz aller Internationalität ist und bleibt Hennen aber Krefelder. In der Seidenstadt wurde er geboren, hier lebt er heute. Was ihn besonders freut, ist sein guter Kontakt zum Museum Burg Linn. Die dortige Direktorin Dr. Jennifer Morscheiser hatte ihn angefragt als Schirmherr für die Märchenausstellung; inzwischen öffnet sich das Museum auch für Phantastiklesungen.
Aktuell strickt der Autor an der Struktur für seinen neuen Roman. Darin geht es um eine Gewissensfrage: „Wenn ich wüsste, dass jemand ein Hitler wird, darf ich ihn dann als Kind ermorden?“ Hennens Augen lächeln bedeutungsschwer, wenn er davon erzählt. Die spätere Mörderin ist Teil der Elfenwelt und kann mit einem magischen Artefakt in die Zukunft blicken. Daraus ergeben sich Konsequenzen, die sie allerdings nicht vorher- sehen konnte. Im Frühjahr 2021 wird das Buch erscheinen. Dann wird Bernhard Hennen wieder ein Exemplar in sein Bücherregal stellen, zu Hause in seinem Reihenhaus in Uerdingen.
Foto: Simon Erath
Auch zu lesen in der Online-Ausgabe der KR-ONE 2/2020